Die Traditionsmarke Kärcher hat zwar eine App, die den Kunden nach dem Kauf der Haushaltshelfer begleitet, aber dennoch fehlt es an einem überzeugenden Customer Experience Management.
Text: W&V Gastautor
24. Juni 2021
Foto: Kärcher
“Willkommen bei MyKärcher! Vielen Dank für Ihre Registrierung. Sie können ab sofort die Vorteile von MyKärcher auf unserer Website und in der Home & Garden App nutzen.”
Schön!
Nachdem ich meinen online bestellten Hochdruckreiniger am Wochenende in Empfang genommen hatte, habe ich mich auch gleich bei MyKärcher registriert, um die beiliegende Gratisaktion zur Bestellung eines Zubehörteils nutzen zu können. Dieses wurde auch prompt geliefert. So weit, so gut. Nur warum habe ich seitdem nichts mehr von Kärcher gehört? Wieso fragt mich denn niemand, ob ich mit meinem Hochdruckreiniger zufrieden bin, wie mir die MyKärcher-Webseite gefällt oder welche Kärcher-Geräte ich noch besitze?
Customer Experience Management ist zwar in aller Munde und jeder Marketeer unterschreibt heute sofort, dass dieser ganzheitliche Management-Ansatz mit dem Ziel, die Customer Journey zu optimieren und das Kundenerlebnis mit der Marke zu perfektionieren, ein absolutes Must-have in seinem Portfolio ist. Nur scheint es häufig an der Etablierung eines professionellen Customer Experience Prozesses zu hapern.
Digitalisierung, Globalisierung und moderne Technologien bescheren Unternehmen enormen Erfolgsdruck: Produkte werden immer ähnlicher, Preise immer kompetitiver und Märkte immer transparenter. Damit avanciert die Customer Experience zunehmend zum zentralen Differenzierungsmerkmal und wird in vielen Fällen sogar zum ausschlaggebenden USP einer Marke.
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Laut einer Studie des globalen Technologiedienstleisters NTT Ltd. erkennt mehr als die Hälfte (58 Prozent) der Unternehmen genau diese Entwicklung, allerdings bieten nur 8 Prozent ihren Kunden eine funktionierende Customer Journey. Unfassbare 56 Prozent haben keinen etablierten Prozess zur Berücksichtigung von Experience-Daten und 18 Prozent erfassen überhaupt kein Feedback von Kunden.
Customer Experience Management ist eben keine Software, die man mal schnell herunterladen kann, keine simple Technologie. Customer Experience Management ist eine Strategie, ein konsequenter, cross-funktionaler Management-Ansatz, der ganzheitlich konzipiert und umgesetzt werden muss. Ziel dabei ist es, einen kontinuierlichen Dialog mit den Kunden zu etablieren, Kundenerfahrungen und -wünsche präzise zu erfassen, sie richtig zu deuten und die Marke an allen Touchpoints entlang der gesamten Customer Journey immer wieder neu mit Leben zu füllen.
MyKaercher-App
Foto: Kärcher
Die ursprüngliche Idee von Kärcher war ja durchaus gut: meiner Warensendung einen Gutschein für ein Zubehörteil beizulegen und so durch meine Registrierung bei MyKärcher nicht nur meine Email-Adresse abzufragen, sondern sich auch den Double-Opt-in für eine weitere Kontaktaufnahme zu sichern. Nur mit welchem Ziel, wenn der Dialog mit dem Kunden danach nicht weitergeführt wird?
Kosten, Verkaufszahlen, offene Bestellungen, Rücksendungen – jedem Unternehmen liegen zahlreiche O(perative)-Daten vor, die erklären, was geschehen ist und die für die Steuerung eines Unternehmens unerlässlich sind. X(perience)-Daten hingegen lassen erkennen, warum bestimmte Dinge geschehen und wie darauf Einfluss genommen werden kann, denn sie spiegeln Überzeugungen, Emotionen und Absichten wider und stammen aus Quellen wie Kundenfeedback, Weiterempfehlungsrate (Net Promoter Score) und Produktrezensionen.
Kärcher hat es leider versäumt, Kundenfeedback von mir einzuholen. Mit einer Kontaktaufnahme hätte das Unternehmen wertvolle Erkenntnisse über meine Customer Experience sammeln können. Sie hätten erfahren, dass der Registrierungsprozess bei MyKärcher aus meiner Sicht sehr user-freundlich gestaltet war, dass ich mit meinem Hochdruckreiniger und dem Zusatzequipment insgesamt mehr als zufrieden bin, ich mir aber wünschen würde, ein paar Euro mehr für einen Akku-Hochdruckreiniger ausgegeben zu haben. Das Stromkabel ist irgendwie immer im Weg!
Die nachhaltige Optimierung der Customer Journey mit dem Ziel, dem Kunden ein perfektes Markenerlebnis an wirklich jedem Touchpoint zu bescheren, gelingt nur durch die konsequente Kombination von O- und X-Daten. Denn nur auf diese Weise entsteht ein ganzheitliches Bild der Customer Experience und ein konkretes Verständnis der zu ergreifenden Maßnahmen, von denen der Kunde ebenso profitiert wie das Unternehmen.
Nur so macht Customer Experience Management letztendlich Sinn und resultiert dauerhaft in besserer Kundenzufriedenheit. Und zufriedene Kunden von heute sind nun mal die Kunden von morgen – treue Fans, die einer Marke immer wieder ihr Vertrauen schenken.
Zum Autor:
Oliver Kern
Foto: Skopos Connect
Oliver Kern ist geschäftsführender Gesellschafter und Mitbegründer von Skopos Connect, einer Full-Service Agentur, die für Kunden wie Audi, Porsche, Rewe, Miele und Deutsche Bahn arbeitet und sie konzeptionell berät, um passende Community- und Customer-Experience-Lösungen zu finden.
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